Donnerstag, 17. Mai 2012

 © David Moses



H A M Z A    A L S H A M A R Y    


... schrieb er mit schwerer Hand auf das Papier. Ein eigener Kugelschreiber erleichterte ihm das Schreiben, den Griff mit einem Klebeband umwickelt, um die Narbe seines Fingers zu füllen.

Hamza begegnet man jeden Tag, er ist ein Teil der Stadt, man sieht ihn, sein dunkles Haar, dunkle Haut, große schwarze Augen, verknittert, und schon möchte man ihn, hat man ihn vergessen, oder?

Er kommt aus dem Irak, seine Familie wurde ermordet als er 20 war.  Jetzt ist er Anfang 50. Als kleines Kind trank er verunreinigtes Wasser, seine Leber vergiftet. Vier Jahre hat er die Schule besucht. „Ich bin nicht so klug“, sagt er. Er durfte nicht weiter. Hat gearbeitet. Eine Ausbildung machte er nicht.

Im Irak herrschte Krieg,  gab es Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten, er wurde gefoltert, daher der zernarbte Finger. In den Wirren floh er zuerst in die Türkei, kämpfte in der Armee gegen die kommunistische Partei. Es gab Schwierigkeiten, er musste fort. Dann ging es nach Bulgarien, hier blieb er nur einige Wochen. Schließlich verweilte er in Italien, 2 Jahre. Hier, so sagt er, hat er zwei Kinder, Zwillinge, ein Mädchen und einen Jungen, er hat sie nie wieder gesehen. Doch Hamza lebt in dem Gewissen, dass es ihnen gut geht, mehr will er nicht. Von Italien zog er dann nach Frankreich, doch die Sprachbarriere trieb ihn nach einigen Monaten wieder fort. Anfang der 80er kam er schließlich nach Deutschland. So wie einige wenige andere Zuwanderer. Er bekam Asyl, ohne Papiere.

„Ich bin nicht so klug.“ Doch Hamza spricht mehrere Sprachen, italienisch, arabisch, englisch, jedoch schreiben kann er sie nicht. Und er spricht von Texten Bob Dylans.

Er hat bis heute keinen Pass, so sagt er, kann nicht weg. Hier in Deutschland hat er gearbeitet, wurde nicht bezahlt. Er ist immer der Schlechte, man toleriere ihn nur, denn er ist ein Penner. „Weißt du, ich werde wie Dreck behandelt.“ Von den Menschen, denen er tagtäglich begegnet, den Ärzten, der Polizei.

Seit einigen Jahren lebt Hamza in einem Männerwohnheim, er bekommt ein wenig Geld pro Tag. Er mag das Heim nicht, denn hier sind viele Alkohol- und Drogenabhängige gestrandet, wie er haben sie keine andere Bleibe. Hamza mag die Männer nicht, sie trinken nur Bier und urinieren auf den Gang, erzählt er.

An der Bank, auf der er stundenlang sitzt, lehnt eine Holzlatte. Zur Verteidigung. „Gegen die Griechen unter anderem.“ Er bettelt tagsüber, steht lange an einem Ort, wochenlang ist es eine Kirche auf deren Treppen er sitzt und wartet. Er sucht Kontakt, ist dennoch unsicher. An Gott glaubt er, braucht keine Moschee. Seine Schulden habe er bezahlt. Hamza deutet auf seine Wasserflasche. Wenn er sie leer getrunken hat, ist nichts mehr übrig. So ist es mit seiner Schuldigkeit gegenüber Gott. Er hat ausgetrunken.

Hamza hat viel erlebt, Schlimmes gesehen, den Kopf seines Großvaters, körperlos, bekommt Medikamente. Man halte ihn ruhig, kontrolliere ihn. Er sei krank von den Tabletten. Seine Leber, geschädigt aus Kindertagen, gehe kaputt.

Hamza Alshamary spricht in großen Gesten, geduckt, den Kopf ein wenig eingezogen, gebeugt, entschuldigend. Die Hände halten einander fest oder begeben sich in den Rhythmus seiner Erzählungen, wenn die Erinnerungen des Krieges, der Folter über seine Lippen kommen. Wenn Hamza davon spricht, wie er sich hier fühlt, allein, ausgestoßen. Er hat einen regen Verstand, doch das erste was die Menschen wahrnehmen lässt sich mit Begriffen verbinden wie dunkel, unheimlich.   Ein Bettler, ein Asozialer.

Hamza möchte weg, doch er kann nicht weiterziehen. Er hat keine Papiere und so wie er lebt bekommt er keine Arbeit. Er ist jemand, der nicht mehr dazugehört. Ein Gefangener, auch seiner selbst.

Wo er hin möchte? Nach Amerika, vielleicht auch in den Iran oder nach Syrien, nur weg. 
In eine Zukunft.

Mittwoch, 9. Mai 2012

Alles 
verbunden
und ergeben
mit Klang 
und Ton

und dennoch
und deswegen
ist es traurig

dieses Nichts
im Kokon
aus Worten
und Noten

Eine Möglichkeit
mit der Zeit.

Beton am Horizont

Wasser bis zum Nabel
Salz dick in der Luft
Den Blick zum Horizont

und gekonnt
stehen sie da
Beton für Beton

Samstag, 7. April 2012

ein stier

die dunkle seite
meine dunkle seite
die nach seiner schreit

dieses zimmer
diese seele
dieses tier
dieser stier

und dann

diese augen

strahlend klar

nicht spiegel seiner seele
nicht dunkel
nicht zerissen

dieser riss
in den ich mich stürzen will
dieses schwarz
in das ich mich reißen lassen will
mit meinem schwarz
das schon bedeckt war
mit freude
mit optimismus

diese kraft
dieser glanz
diese augen
dieses zimmer
dieses schwarz

voller ton (dennoch)
voller klang
dieser stier
der sich auf mich stürzen soll
der mich heilen soll
der mich reißen soll
den ich reißen will
beißen will

dieses tier
diesen stier

Donnerstag, 5. April 2012

erinnern

Graues Fleisch

zerknackt
entpackt

Getrieben im Profil

gestreckt
verschleppt

Rohe Masse
bis nichts mehr übrig bleibt.
Licht

Auf den Köpfen der Zeit
nicht aufgegangen

nur mit Bangen
betrachtet

Bis aus zwei Beinen
acht Beine wurden.
Außer Reichweite

so weit weg

konnte es nicht sehen

fehlender Imperativ.

Weinend und lachend trete ich das Ende an

doch hängend wie die Fäden der Zuckerwatte.

Zucker
Sucht
Unabkömmlich